Auf dem Meer sind die Nächte kurz

English Text below

Letztes Wochenende hatte ich meine erste durchsegelte Nachtfahrt. Doublehanded, also mit nur einer weiteren Person an Bord bin ich von Kiel Richtung Warnemünde gesegelt und von dort aus über Nacht wieder zurück. Für meinen Segelpartner Max und mich war der Törn ein Test bzw. Vorbereitung auf die Baltic 500 Challenge. Diese Regatta, bei der es ebenfalls doublehanded nonstop 500nm über die Ostsee geht, fand dieses Wochenende über Himmelfahrt statt. Mehr Berichte dazu folgen in den kommenden Tagen.

Als wir in Kiel losfuhren blies es schon kräftig mit um die 20kts aus West und während wir die Kieler Bucht verließen, waren auch schon mal Böen mit 28kts dabei. Auf einer Rennyacht ist das ganz praktisch – der Windex im Masttop misst die scheinbare Windgeschwindigkeit und errechnet daraus die tatsächliche aktuelle Windstärke. Mit dem vollen Großsegel und dem einzigen Gennaker, den das Boot momentan hat, kamen wir gut voran, waren aber mit der Besegelung echt am Limit. Hinzu kam eine steile kurze Welle, die es teilweise unmöglich machte, einen konstanten Speed zu halten.

Ist das Boot im Surfen, gibt es einen sogenannten Velocity Header: Der Fahrtwind nimmt zu und der scheinbare Wind kommt dadurch spitzer. Also fällt der Gennaker ein und man nimmt die Segel dichter. Rauscht man dann in die nächste Welle vorm Bug, nimmt die Geschwindigkeit und damit der Fahrtwind plötzlich extrem ab und der scheinbare Wind fällt wieder deutlich raumer ein. Jetzt sind die Segel zu dicht und man muss sie schnell wieder fieren oder abfallen, um den Überdruck im Rigg loszuwerden. Kommt zeitglich wieder eine Welle von hinten, wird zuerst die Luvseite des Hecks angehoben, es entsteht also Leekrängung und das Schiff wird luvgierig. Der Steuermann muss also abfallen, um das Boot überhaupt auf Kurs zu halten und zusätzlich abfallen, um den Druck loszuwerden.

Eine Kielyacht kentert dann aufgrund des Gegengewichts an der Kielbombe nicht, bzw. richtet sie sich selbstständig wieder auf. Es kann aber schon vorkommen, dass das Schiff kurzzeitig flach auf dem Wasser liegt.
Genau so etwas passierte uns vor der Kieler Bucht. Solch eine Situation ist natürlich überhaupt nicht gut fürs Material, aber für mich war es sehr lehrreich diese Erfahrung zu machen, und zu sehen, dass der Kiel das Boot tatsächlich wieder aufrichtet.

Nach dieser Aktion mussten wir erstmal tief durchatmen, bevor es mit Stagfock und Großsegel bei teilweise bis zu 39kts weiter Richtung Fehmarnsund ging. Hinter der Brücke war es etwas geschützter, der Wind hatte außerdem ein bisschen abgenommen, also packten wir „Code Zero“ aus, ein Vorsegel, das eine Mischung aus Fock und Gennaker ist. Doch auch das war uns noch nicht schnell genug, also war nach kurzer Überlegung und mit Blick auf den Wetterbericht der große rote Gennaker wieder gesetzt.

Kurz vor Warnemünde trafen wir uns mit Freunden, die eine neue Dehler 30OD nach Kiel überführen wollten. Mit der L30 konnten wir einige Zeit an der Kreuz mit ihnen mithalten, aber als der Wind wieder auffrischte, fuhren sie uns davon.

Mittlerweile war die Sonne untergegangen und wir hatten Glück – nach und nach verzogen sich auch die Wolken und offenbarten einen wunderschönen Sternenhimmel. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich die Milchstraße nicht nur auf einem Foto. Lange konnte ich mich aber mit dem Staunen nicht aufhalten, denn langsam kamen wir dem Fehmarnsund wieder näher. Das Fahrwasser, das unter der Brücke hindurchführt, ist super schmal und auf beiden Seiten von sehr flachem Wasser umgeben. Bei Tageslicht ist es kein Problem dort hindurch zu navigieren, aber leider sind die Fahrwassertonnen nicht beleuchtet. Mit Navgationsapp auf dem Handy schafften wir es irgendwie nicht gegen die Fahrwassertonnen gegen zu fahren und auch nicht auf Grund zu laufen, während wir uns kreuzenderweise der Brücke näherten. Auch nach der Brücke mussten wir ständig die Karte checken und alle 5 min eine Wende fahren, um im tiefen Wasser zu bleiben und irgendwann war ich mit meiner Aufmerksamkeit echt am Ende.
Bis nach Kiel lagen noch 8 Stunden Kreuzen vor uns, der Wind hatte weiter zugenommen, und da wir uns nicht mehr in der Landabdeckung befanden, waren die Wellen auch wieder größer und steiler geworden… Da ich den ganzen Fehmarnsund durch gesteuert hatte, löste Max mich ab, sodass ich eine Weile unter Deck gehen und, mit den in Luv verstauten Segeln kuschelnd, etwas schlafen konnte.

Unter Land waren die Wellen deutlich kleiner und es ließ sich dort deutlich angenehmer (und schneller) segeln. Also verholten wir uns alle 1-2 Stunden, um wieder näher an die Küste zu kommen, wobei das jedes Mal mit gebannten Blicken auf den Tiefenmesser verbunden war.
Nach meinem zweiten unruhigen Powernap unter Deck sah man im Osten schon wieder einen hellen Streifen. Vor uns lagen aber immer noch 30Meilen…

Die Wellen wurden nochmal steiler, der Wind stärker und irgendwann konnte man auch das östliche Ende der Kieler Bucht sehen, aber es wollte einfach nicht näherkommen. Endlich – gegen 10 Uhr bogen wir in die Förde ab, die Wellen wurden flacher, Max und ich saßen nebeneinander auf der Luvkante und leisteten mit Steuern und Schotarbeit auf den letzten Metern nochmal gute Teamarbeit. Kurz vor Strande begrüßte uns sogar noch ein Tümmler und dann war es auch schon Zeit, die Fock einzurollen und das Groß herunterzulassen. Mit einem perfekten Anlegemanöver rutschten wir in die Box und hatten unseren 1. gemeinsamen Törn geschafft!


Was wir/ich gelernt haben:

1. Es ist besser eine halbe Stunde lang langsamer zu segeln als unter zu großer Besegelung einen Fuck-Up zu haben und evtl. ein wertvolles Segel zu zerstören oder zu verlieren. Auf der anderen Seite muss man auch mal was riskieren, sonst lernt man seine Grenzen und die des Bootes nicht kennen. Dann fährt man die ganze Zeit mit angezogener Handbremse ohne sein volles Potenzial auszuschöpfen, was nicht unsere Philosophie und nicht wirklich zufriedenstellend ist.
2. Stirnlampen setzt man sich am besten schon bei oder vor Sonnenuntergang auf – später hat man vielleicht keine Zeit mehr dazu und dann steht man im Dunkeln ohne Licht da
3. Unbeleuchtete Fahrwassertonnen kann man auch mit einer Taschenlampe anleuchten (wurde uns später an Land gesagt, hätten wir aber auch mal selbst draufkommen können), dafür muss man aber auch bei Einbruch der Dunkelheit eine Taschenlampe zur Hand und nicht unter Deck haben
4. Wenn du nichts zu tun hast, geh schlafen – du kannst nicht wissen, wann du wieder Gelegenheit dazu bekommst

Nights are short at Sea

Last weekend I had my first overnight sailing trip. Doublehanded, so with only one other person on board, I sailed from Kiel towards Warnemünde and back. For my sailing partner Max and I, the trip was a test and preparation for the Baltic 500 Challenge. That regatta is also doublehanded, goes nonstop 500nm around the Baltic Sea and took place this weekend. I’ll post more about that during the week.

When we set off in Kiel it blew with about 20kts from West and while we left the Kiel bay, there were even gusts with 28kts. On a yacht it’s very handy – the Windex in the masttop measures the apparent wind speed and calculates the actual wind. With the full mainsail and the only Gennaker that the boat has at the moment, we were fast, but also really on the limit with the sail setup. In addition, there was a steep short wave, which made it partly impossible to maintain a constant speed.

When the boat is surfing, there is a so-called velocity header: The wind increases, and the apparent wind blows more from in front. The Gennaker stalls and you have to sheet in. If you then rush into the next wave in front of the bow, the speed and thus the wind blast suddenly decreases extremely, and the apparent wind blows more from behind. Now the sails are too close, and you should quickly open the sails or bear away to get rid of the pressure overload in the rig. If another wave then lifts the back of the boat, the windward side of the stern is first raised, so there is leeward heel and the ship wants to go to windward. Now the helmsman has to bear away to keep the boat on course and to get rid of the pressure.

A keel yacht then does not capsize due to the counterweight of the keel bomb and gets back upright by itself. However, it can happen that the ship lies flat on the water for a moment.
This is exactly what happened to us in front of Kiel Bay. Such a situation is of course not good for the material at all, but for me it was very instructive to make this experience and to see that the keel lifts the boat back up. And it helped me to gain more trust into the boat.

First both Max and I had to take a deep breath. Then we got the boat going again towards Fehmarnsund with only the staysail and the mainsail up whilst it was blowing up to 39kts at times. Behind the bridge it was a bit more protected, the wind had also decreased a bit, so we put up „Code Zero“, a headsail, which is a mixture of a jib and a gennaker. But that wasn’t fast enough for us, so after a quick check of the weather report, the big red Gennaker was set again.


Shortly before Warnemünde we met with friends who were bringing a new Dehler 30OD to Kiel. With the L30 we were able to keep up with them for some time, but when the wind increased, they took off.
At that point the sun had set and we were lucky – gradually the clouds also disappeared and revealed a beautiful stunning sky. For the first time in my life, I didn’t just see the Milky Way in a photograph. But soon I had to stop staring at the sky, because we slowly got closer to the Fehmarnsund again. The channel under the bridge is super narrow and surrounded by very shallow water on both sides. In daylight it is no problem to navigate through it, but unfortunately the channel markers don’t have lights. With an app for navigation on the mobile phone, we somehow managed not to run into the channel markers and also didn’t run aground as we crossed the bridge. Even after the bridge we had to check the map all the time and tack every 5 minutes to stay in deep water and at some point that really killed my attention.
Kiel was still 8 hours of upwind away, the wind had increased further, and we were no longer leeward to land so the waves had become bigger and steeper again… Since I had steered through the whole Fehmarnsund, Max took over the steering wheel and I went under deck to sleep a bit whilst cuddling with the sails. Closer to the land the waves were much smaller and it was much more pleasant (and faster) to sail there, so every 1-2 hours we tacked to get closer to the coast again, each time with banished glances at the depth gauge.
After my second restless powernap under deck, a bright stripe was seen in the east again. But we still had 5 hours ahead of us. The waves became steeper again, the wind stronger and at some point you could see the eastern end of Kiel Bay, but it just didn’t want to come any closer. Finally – around 10 o’clock we turned into the Kiel bay, the waves became flatter, Max and I sat next to each other on the windward side and did good teamwork on the last meters with steering and working the mainsheet. Shortly before Strande even a bottlenose dolphin greeted us and then it was time to roll in the jib and lower the mainsail. With perfect docking we slipped into the box and had finished our 1st trip together!


What we/I have learned:

  1. It is better to sail slower for half an hour than to have a fuck-up with too many sails up and possibly destroy or lose a valuable sail.
  2. Better start wearing your headlamp before sunset – later you may not have time to do so and then you will be standing in the dark without light
  3. Unlit channel markers can be spotted with a flashlight (we were later told on land, but we could have thought of that ourselves), but to use a torch you have to have one at hand and not under deck when the sun goes down.
  4. If you have little to do, go to sleep – you don’t know when you’ll get another opportunity

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